„Du bist verrückt mein Kind, du mußt nach Berlin. Wo die Verrückten sind, da jehörste hin!“

Der alte Gassenhauer hatte das aktuelle Berlin vorweggenommen: eine bizarre Mischung aus bundeshauptstädtischer Weltwichtigkeit und rot-rot-grüner Weltfremdheit in der saturierten Kiez-Blase. Politisch lässt sich kaum einordnen, wer die ehrenamtlichen Aktivisten sind, die den „Volksentscheid Berlin autofrei“ auf den Fußweg bringen wollen, aber verrückt ist der allemal. Denn gesammelt werden Unterschriften für einen umfänglichen Gesetzentwurf, in dessen Mittelpunkt sprachlich getarnt nur noch der „Autoreduzierte Bereich“ liegt, was den Innenring der Berliner S-Bahn meint. In eben diesem autoreduzierten Bereich soll gesetzlich vorgeschrieben werden:

Privatfahrten mit dem Auto sind grundsätzlich verboten.

Anfänglich sind nach beantragter Erlaubnis noch 12 Tage im Jahr zu gestatten, später nur noch sechs Tage. Ebenso ist das Parken auf öffentlichem Straßenland in dieser Zone „erlaubnispflichtig“. Für Elektro-Autos gilt das gleichemaßen. Natürlich soll es Ausnahmen geben für Einsatzdienste, Lieferanten, Straßenreinigung u.ä., alle anderen müssen eine Notwendigkeit nachweisen. Zitat:

„Notwendig ist der Einsatz von Kraftfahrzeugen nur, wenn ein Ausweichen auf Verkehrsmittel, die dem Gemeingebrauch gem. § 3 unterfallen, wegen regelmäßig für die gewerbliche Tätigkeit erforderlicher Werkzeuge oder Materialien unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn große Maschinen oder eine Vielzahl von Werkzeugen für die Tätigkeit notwendig ist, nicht aber wenn gelegentlich der Einsatz (irgend)eines Kraftfahrzeuges wünschenswert wäre, wie zum Beispiel wegen eines größeren Aktenumfangs bei Rechtsanwält:innen.“

Ausnahmen gibt es danach allerdings auch, (Zitat)

„wenn eine Person, die einer Gruppe angehört, die von Diskriminierung betroffen ist, nachts Wege zurücklegen muss und aufgrund tatsächlicher Umstände die berechtigte Erwartung besteht, dass sie dabei einer erhöhten Gefahr von Angriffen aufgrund von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ausgesetzt sein kann. Ein spezifisches Sicherheitsbedürfnis kann sich auch durch eine Traumatisierung ergeben, die durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen ist.“

Und wie könnte man da nicht stutzen, wenn man lesen muss: ausgenommen sind ebenso gemeinnützige Körperschaften, ausdrücklich auch jene, die „mit politischen Zwecken und Betätigungen umfasst sind“.

Wenn die in den Außenbezirken nun denken, scheiß drauf: Die Verwaltung soll prüfen, inwieweit derartige Umwidmungen auch im übrigen Stadtgebiet in Betracht kommen. Die Verfasser erkennen zwar selber, dass die im Grundgesetz geschützten Positionen wie Eigentumsrecht, Berufs- und allgemeine Handlungsfreiheit damit beschnitten werden, halten ihre Autoverbote aber für überragend wichtige Gemeinwohlziele.

Ausgangspunkt der Initiative ist der Berliner Schiller-Kiez. Das sind 22 Berliner Altbau-Blöcke, verkehrsberuhigt, grobes Kopfsteinpflaster, nach drei Seiten abgeriegelt durch Grünanlagen mit einer nahezu dörflichen Atmomsphäre. Merkwürdig nur, dass die Initiatoren als Ziel erklären, sie wollten die Kinder vor dem Haus spielen lassen und wieder bei offenem Fenster schlafen können. Wie, hat schon im eigenen Kiez nicht funktioniert? Aber es gibt doch zahlreiche Orte, wo das auch ohne Volksentscheid klappt: z.B. Bielefeld, Pasewalk oder Freudental.

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